Die Notwendigkeit von Energiespeichern
Warum muss Elektrizität von Solar- und Windkraftanlagen gespeichert werden können, obwohl deren Anteil an der Gesamtenergieerzeugung noch vergleichsweise gering ist? Die starken Schwankungen der erneuerbaren Energieerzeugung und der verstärkte Einsatz von PV- und Windenergie verursachen gleich mehrere Probleme:
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Unzuverlässige Energieversorgung: Die Leistung von Wind- und Solaranlagen ist stark wetterabhängig. Die Leistung eines Windrads reagiert sehr empfindlich auf Änderungen der Windverhältnisse, sie ändert sich mit der 3. Potenz der Windgeschwindigkeit. Bei einem Windkraftwerk stehen im Jahresdurchschnitt darum nur rund 15-20% der Nennleistung zur Verfügung. In rund zwei Drittel der Betriebszeit wird dieser Durchschnittswert nicht erreicht. Bei Windstille oder bewölktem Himmel sinkt die Energieproduktion daher drastisch, was zu Versorgungslücken führen kann
Woher kommt der Strom bei einer Dunkelflaute? Solarstrom und Windkraft steuern fast keine gesicherte Leistung bei. Für die Zeiten ohne Wind- und Solarstrom braucht man zusätzliche Kraftwerke, die einspringen, um die Lücke zu füllen. Hierzu sollen Gasturbinenkraftwerke dienen, die sehr schnell hochgefahren werden können, aber nur bis ca. 30% Wirkungsgrad haben.
2030 brauchen wir in Deutschland ca. 80 GW gesicherte Leistung aus solchen Kraftwerken. Allein die Prozessemmissionen aus Stahl-, Chemie- und Zementindustrie erfordern nach Schätzungen der Industrie (www.in4climate.nrw) zusätzlich 600 TWh zu den bereits heute benötigten 600 TWh. Unter Berücksichtigung der vorhandenen, der aus Altersgründen demnächst abzuschaltenden und der in Bau befindlichen Gaskraftwerke, bleibt bis 2030 eine Lücke von ca. 50 GW. Diese Lücke lässt sich nicht schliessen:
- Der Bau eines Kraftwerkes dauert -ohne Genehmigungsverfahren- ca. 4 ... 7 Jahre
- Für solche gigantischen Bauvorhaben gibt es zur Zeit keine materiellen, organisatorischen und personellen Kapazitäten
- Die Baukosten betragen ca. 400 ... 700 EUR/kW. Da diese Anlagen nur die Lücken der Dunkelflauten füllen sollen, sind sie hochgradig unrentabel. Wer würde hier investieren?
Netzstabilität: Die unregelmäßige Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen kann zu Netzinstabilitäten führen. Der Wegfall der grossen Schwungmassen von Generatoren und Turbinen in Kohle- und Kernkraftwerken stabilisiert die Netzfrequenz nicht mehr in dem Masse, wie es ehedem der Fall war. Durch den unbegrenzten Zubau an Photovoltaik in den letzten Jahren ist der Anteil nicht abstellbarer Kapazitäten gefährlich hoch geworden. Was passiert, wenn der Strombedarf in Deutschland – etwa an einem Feiertag- deutlich kleiner ist als die Produktion? Es droht der Zusammenbruch der Versorgung, weil die zu hohen Einspeisungen die Frequenz im Stromnetz über netzschädliche 50,2 Hz hinausschiessen lässt
Das Stromnetz muss ständig ausgeglichen werden, um Frequenz- und Spannungsschwankungen und Stromausfälle zu vermeiden. Synchrongeneratoren von Grosskraftwerken können dagegen bei Netzfehlern auch hohe Kurzschlussströme liefern, die zur schnellen Fehlerbehebung beitragen. Sie liefern zudem Blindleistung, die zur Stabilisierung der Netzspannung notwendig ist. Erneuerbare Energien müssen oft zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um diese Funktionen zu erfüllen.
Energiespeicher könnten überschüssige Energie speichern und bei Bedarf wieder abgeben. Dies hilft, Spitzenlasten zu glätten und reduziert die Notwendigkeit für zusätzliche Netzkapazitäten und hilft die Schwankungen in der Einspeisung auszugleichen um die Netzstabilität zu verbessern.
Wind und Sonne wehen beziehungsweise scheinen nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich unterschiedlich. Es geht deshalb auch darum, kontinentweit möglichst viel Strom ständig von den Wind- / Sonnegebieten in die Flaute- / Trübgebiete zu bringen, um die Rest-Backup Kraftwerke und die fossile Rest- Stomerzeugung vor Ort so weit wie möglich zu minimieren. Andernfalls benötigt man einen erheblichen Ausbau der Netze oder dezentrale Grundlasterzeugungsanlagen. Oder Speicher.
Laut einer Studie der Bundesnetzagentur werden die Kosten für den Netzausbau in Deutschland bis 2032 auf rund 42 Milliarden Euro geschätzt, insgesamt mindestens 150 Milliarden bis 2045
(https://www.bundesnetzagentur.de/1007642).
Flexibilisierung des Energiesystems: Um die Schwankungen auszugleichen, muss das Energiesystem flexibler gestaltet werden. Dies kann durch Lastmanagement, flexible Kraftwerke und den Einsatz von Speichern erreicht werden.
Es ist ein fataler Irrtum, zu glauben, man könne auf Speicher noch warten, weil diese Flexibilitätsoptionen (Lastmanagement, flexible Kraftwerke) noch günstiger seien. Das Problem hat uns mit einem EE-Stromanteil von rund 50% bereits eingeholt. Es erscheint nur noch nicht akut, da es zurzeit noch genügend (fossile) Backup-Optionen gibt und der wenig technologieoffene Fokus bislang auf teure Speichermöglichkeiten (Power-To-Gas, Batterien) gerichtet war. Gegenteilige Standpunkte basieren auf alten Annahmen, etwa, dass Gas billig sei.
Überproduktion und Abregelung: An Tagen mit hoher Energieproduktion kann es zu einer Überproduktion kommen, die nicht vollständig genutzt werden kann. In solchen Fällen muss die Energieproduktion abgeregelt werden, was ineffizient und kostspielig ist. In Deutschland mussten im Jahr 2022 rund 8 Milliarden Kilowattstunden Strom aus erneuerbaren Energien abgeregelt werden, weil die Netze nicht in der Lage waren, den überschüssigen Strom aufzunehmen und/oder weil es keine inländischen Abnehmer gab. Dies kostete uns 4,2 Millarden Euro (Redispatch-Maßnahmen, Einspeisemanagement, Bereitstellung von Reservekraftwerken und Systemdienstleistungen wie Spannunghaltung, Frequenzregelung).
Entwicklung des Gesamtvolumens der Redispatchmassnahmen im deutschen Übertragungsnetz
(Einspeisereduzierungen und -erhöhungen von konventionellen Markt- und Netzreservekraftwerken).
An gewissen Tagen mit sehr hoher Energieerzeugung führt die Abregelung an der Strombörse zu Negativpreisen, mit denen der Strom exportiert wird, alleine in 2020 waren es über 300 Stunden. Wir zahlen also dafür, dass im Ausland Stauseen gefüllt werden und kaufen den Strom dann auch noch teuer zurück. Es wäre also besser, diesen Strom speichern zu können.
Den Eindruck, den man beim Anblick von Windrädern oft hat, täuscht also nicht: Sie stehen tatsächlich still.
Fazit 1: Um Stromüberschüssen entgegenwirken zu können, gibt es drei mögliche Szenarien:
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Extremfall 1: Keine Speicher verfügbar. In diesem Fall müsste ein Grossteil der fluktuierenden EE-Erzeugung abgeregelt werden.
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Extremfall 2: Keine Abregelung erlaubt. Der Anteil der fluktuierenden EE-Erzeugung könnte dann ohne Speicher maximal ca. 30% betragen. Darüberhinaus wären enorme Speicherkapazitäten von ca. 15 ... 17 TWh zur Aufnahme temporärer Stromüberschüsse erforderlich.
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Eine Kombination aus Speicherausbau, flexibles Lastmanagement, Abregelung, Erzeugung von H2 und Methan(ol) sowie flexibler Nutzung von Strom im Wärmebereich. Dies wäre der ökonomisch beste Kompromiss.
Um einer Strommangellage bei Dunkelflauten entgegen zu wirken, gibt es ebenfalls drei Szenarien:
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Extremfall 1: Es sind Back-Up Kraftwerke erforderlich, die die gesamte ausfallende volatile EE-Erzeugung ausgleicht.
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Extremfall 2: Es sind Stromspeicheranlagen erforderlich, die die gesamte ausfallende volatile EE-Erzeugung für die Dauer der Dunkelflaute ausgleicht.
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Eine Kombination aus flexiblen Kraftwerken, flexibles Lastmanagement und Speicherung. Dies wäre der ökonomisch beste Kompromiss.